Die Idee
Pforzheim zählt mit rund 2.660 Sonnenstunden jährlich zu den sonnenreichsten Städten Deutschlands. Diese klimatische Voraussetzung bildet die Grundlage für eine ambitionierte, systemisch gedachte kommunale Solarstrategie. Ziel ist es, bisher ungenutzte Solarpotenziale auf Dach- und Fassadenflächen systematisch zu erschließen, um soziale, ökologische und wirtschaftliche Vorteile in einem intelligent vernetzten System zu vereinen.
Die Stadt Pforzheim plant, geeignete private Dach- und Fassadenflächen aktiv anzumieten, mit PV-Modulen auszustatten und den gewonnenen Strom zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, zur Entlastung einkommensschwacher Haushalte sowie zur gezielten Innovationsförderung durch einen kommunalen Beteiligungsfonds einzusetzen. Die Maßnahmen werden durch ein interdisziplinäres Transferprojekt an der Hochschule Pforzheim wissenschaftlich begleitet.
Technisches und räumliches Potenzial
Auf Basis konservativer Hochrechnungen aus öffentlich verfügbaren Solarpotenzialanalysen (z.B. von DLR, Metropole Ruhr, u.a.) ergibt sich für Pforzheim ein realistisches Nutzpotenzial von ca. 2.800 geeigneten Dachflächen , ergänzt um potenziell mehrere hundert aktivierbare Fassadenflächen , insbesondere im gewerblichen und öffentlichen Gebäudebestand. Daraus ergibt sich ein technisches Gesamtpotenzial von ca. 25 GWh jährlich erzeugbarem Solarstrom .
Die Umsetzung erfolgt primär durch städtische Eigenverantwortung: Die Stadt mietet geeignete Flächen aktiv an und übernimmt auch Installation, Betrieb und Wartung der PV- Anlagen über ein stadteigenes Energie- oder Infrastrukturunternehmen. Diese Vorgehensweise erlaubt eine koordinierte Stromverwertung im Sinne der städtischen Zielsetzungen und Bedarfs.
Verwendung des erzeugten Stroms (25 GWh/Jahr)
1. E-Bus-Flotte und ÖPNV-Subventionierung (ca. 1/3 = 8,3 GWh)
Pforzheim strebt mittelfristig die vollständige Elektrifizierung seiner Busflotte an. Derzeit beträgt der geschätzte Energieverbrauch pro E-Bus rund 2,8 kWh/km, bei etwa 250 km täglicher Fahrleistung ergibt das ca. 0,56 MWh pro Tag/Bus bzw. 204 MWh/Jahr. Bei 130 Bussen ergibt sich ein Jahresverbrauch von rund 26,5 GWh – der geplante Anteil aus der Solarstromproduktion deckt also knapp ein Drittel davon ab.
Dieser Anteil wird zur Subventionierung der Betriebskosten verwendet, wodurch sozial gestaffelte Ticketpreise ermöglicht werden – insbesondere für Schüler:innen, Studierende, Rentner:innen und Menschen mit geringem Einkommen. Ziel ist eine nachhaltige Attraktivitätssteigerung des ÖPNV im Sinne der Nachhaltigkeit.
2. Monetärer Restüberschuss (ca. 16,7 GWh) – Aufteilung 50:50
a) Förderung einkommensschwacher Haushalte (ca. 278 K €/Jahr)
Ein Teil des Stroms wird in das Netz der Stadtwerke eingespeist, der dabei entstehende Gewinn wird anteilig zur Senkung der Stromkosten für einkommensschwache Haushalte verwendet. Dies kann über automatisierte Tarifsenkungen, Stromguthaben oder Energiezuschüsse in Zusammenarbeit mit sozialen Trägern und den Stadtwerken erfolgen.
b) Beteiligungsfonds für Start-ups (ca. 278 K €/Jahr)
Die verbleibenden Mittel fließen in einen neu geschaffenen kommunalen Beteiligungsfonds, der gezielt innovative Gründungsprojekte mit Pforzheim-Bezug unterstützt.
Ein besonderer Aspekt soll dabei die Kooperation mit der Hochschule Pforzheim sein,wo Masterstudierende der Wirtschaftswissenschaften den Fonds in einem realen Transferprojekt analysieren, begleiten, mitgestalten und letztendlich auch steuern. Die Stadt wird Mitgesellschafterin auf diesem Wege ausgewählter Start-ups und partizipiert damit auch an möglichen Wertsteigerungen, was wiederum neue Spielräume für neue öffentliche Investitionen eröffnet.
3. Kostenfreie E-Bike-Ladestationen an Schnellweg-Knotenpunkten
Als zusätzliche Maßnahme werden aus dem Überschuss auch kostenfreie E-Bike- Ladestationen an den Knotenpunkten der Pforzheimer Fahrradschnellwege betrieben. Aufgrund des geringen Strombedarfs (<1% des Gesamtvolumens) sind diese als mitfinanziert aus dem 50:50-Restüberschuss einzuordnen.
Fazit und Ausblick
Die vorgestellte kommunale Solarstrategie ist mehr als eine Energieinitiative – sie ist ein systemischer Transformationsimpuls für Pforzheim. Sie verbindet soziale Teilhabe, klimabezogene Infrastrukturmodernisierung, ökonomische Innovationsförderung und akademisch-praktische Bildung zu einem besonders zukunftsfähigen Gesamtmodell.
Die Integration von Fassadenflächen als gestalterisch, wie energetisch wirksames Element unterstreicht dabei, den Anspruch, auch architektonisch neue Wege zu gehen. Langfristig kann das Modell Pforzheim zum Best-Practice-Beispiel einer Stadt werden, die ihre natürliche Ressource – das Sonnenlicht – intelligent, sozial und unternehmerisch zu nutzen versteht.