Bürgerfrust im Rathaus: Wenn Termine zur Geduldsprobe werden
Der tägliche Behördenwahnsinn in Pforzheim – und wie man ihn beenden könnte
Wer schon einmal versucht hat, im Pforzheimer Rathaus, Bürgerzentrum oder Zulassungsstelle einen Termin zu bekommen, kennt das Gefühl: Man klickt sich durch die Online-Terminvergabe, die wie ein schlecht programmiertes Computerspiel wirkt – mit dem Unterschied, dass es hier um Ausweise, Autos und andere dringliche Angelegenheiten des Alltags geht. Und während man wartet, dass ein Wunder passiert und ein freier Slot auftaucht, wächst der Frust – Woche um Woche.
8 Wochen für einen Ausweis? Willkommen im Jahr 1992
Was in anderen Kommunen oder dem Enzkreis wie selbstverständlich funktioniert, scheint in Pforzheim ein organisatorisches Minenfeld zu sein. Acht Wochen Wartezeit für einen Personalausweis. Drei Wochen für eine Kfz-Zulassung. Und wer sich telefonisch durchzukämpfen versucht, landet wahlweise in der Warteschleife oder im Nirwana. Manche Nutzer berichten in Google-Rezensionen von einem reibungslosen Ablauf – doch sie sind in der Unterzahl. Die Mehrheit klagt über unfreundliches Personal, fehlende Erreichbarkeit, patzige Ausreden und das Gefühl, Bittsteller zweiter Klasse zu sein. Selbst eine gewisse Neigung zum Wegducken wird manchen Mitarbeitenden nachgesagt.
Die Stimmung? Gereizt. Das Vertrauen? Erodierend. Die Lösung? Dringend notwendig.
Warum andere Städte es besser machen – und Pforzheim nicht
Ein Blick über den Tellerrand zeigt: Der Enzkreis bekommt das alles besser hin. Warum also nicht auch Pforzheim? Die Antwort ist ebenso simpel wie unbequem: Die Verwaltung ist zu zentralisiert, zu überlastet – und hat den Kontakt zur Lebensrealität der Bürgerinnen und Bürger verloren.
Zurück in die Zukunft: Bürgernähe durch Dezentralisierung
Dabei liegt die Lösung auf der Hand – oder besser gesagt, in der Vergangenheit. Denn früher gab es sie bereits: die dezentralen Bürgerbüros im Rathaus in Brötzingen, Dillweißenstein und anderen Stadtteilen. Ortsverwaltungen, in denen Menschen aus dem Quartier auch von Menschen aus dem Quartier betreut wurden. Kurze Wege, schnelle Entscheidungen – und echte Nähe zur Bevölkerung.
Warum nicht zurück zu diesem Modell? Warum nicht wieder eigene Bürgerbüros in Haidach, Mäurach, Sonnenhof/Sonnenberg, Arlinger oder? Warum nicht dort wieder gewählte Ortschaftsräte einführen, die eigenverantwortlich über die Belange ihres Stadtteils entscheiden?
Mehr Demokratie, weniger Bürokratie
Die Idee: Stadtteile sollen wieder mehr Selbstverwaltung bekommen – analog zu Eutingen, Würm oder Büchenbronn, wo das heute schon funktioniert. Der große Gemeinderat würde verkleinert, die Stadtteile würden gestärkt. Entscheidungen über neue Kitas, Spielplätze oder Verkehrsregelungen würden von denen getroffen, die davon auch wirklich betroffen sind.
Ein Beispiel: Warum sollte ein Stadtrat aus dem Haidach darüber entscheiden, was im Arlinger gebraucht wird? Und umgekehrt? Ortskenntnis schlägt Sitzungsvorlage – und direkte Beteiligung ersetzt umständliche Dienstwege.
Behördengänge mit Herz – statt mit Hürden
Das Resultat wäre nicht nur eine bürgernähere Politik, sondern auch eine deutlich entlastete Zentralverwaltung. Keine monatelangen Wartezeiten mehr für Ausweisdokumente. Keine Schlangen vor den wenigen Schaltern. Keine Frust-Mails, die ins Leere laufen. Sondern: Persönlicher Service vor Ort. Erreichbarkeit. Verlässlichkeit.
Ein Aufruf an die Stadtpolitik
Was es jetzt braucht, ist Mut zur Veränderung – und das Eingeständnis, dass es so nicht weitergehen kann. Der zentralisierte Behördenapparat und dessen Digitalisierungskonzept ist gescheitert. Die Unzufriedenheit ist real. Die Lösungen liegen auf dem Tisch – man muss sie nur wollen.
Wer die Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt, muss ihnen auch ernsthafte Strukturen bieten. Dezentral. Demokratisch. Direkt.