Innenstadtring – verstopft, verplant, verpasst
Pforzheims verkehrspolitisches Dauerproblem
Wenn man mal nicht auf den ÖPNV zugreifen kann!
Wer mit dem Auto durch Pforzheim fährt, merkt es schnell: Die Verkehrssituation ist angespannt, chaotisch – und oft schlichtweg unzumutbar. Zwar existiert ein verkehrspolitisches Gebilde namens Innenstadtring, doch anstelle der erhofften Entlastung bringt er vor allem eines: Stau. Ironischerweise wäre der Begriff Innenstadt- Stau-Ring wohl treffender.
Zwischen Topografie und Trugschluss
Pforzheim liegt in einem Talkessel, umrahmt von aufsteigenden Hängen im Norden und Süden. Die natürliche Hauptverkehrsachse verläuft also flach entlang der Enz von West nach Ost. Es wäre daher logisch, diese Linie ebenso wie eine starke Nord-Süd-Achse verkehrstechnisch auszubauen. In der Stadtmitte sollten diese Achsen dann einen Ring bilden, um den Verkehr fließen zu lassen und zu bündeln, gleichzeitig sollte so der Zugang zur Innenstadt erleichtert werden. Doch die Realität sieht anders aus.
Die halbfertige Westtangente – verschärft die Situation!
Nach Jahrzehnten des Wartens wurde ein Teil der Westtangente (was ja sehr zu begrüßen ist!) realisiert – allerdings fehlt ein zentrales Verbindungsstück, das einst als Schlüssel zur Verkehrsentlastung gedacht war – die Verbindung zur B463 nach Calw. Wann – oder ob – diese Lücke jemals geschlossen wird, ist offen. Die Folge: Die vergleichsweise schmalen Wildbader Straße, die Kelterstraße und Habermehlstraße müssen heute den Hauptverkehr von der B294 und der Westtangente in Richtung Innenstadt und die Stadtteile Büchenbronn und in Richtung B463 (nach Calw) aufnehmen. Eine Aufgabe, der sie nicht gewachsen sind. Die Folge: täglicher Stau, besonders in Richtung Büchenbronn.
Tempolimit als Symbol verfehlter Politik
Auch von Osten kommend fließt der Verkehr über die vierspurige B10 in Richtung Zentrum in die Oststadt hinein. Doch statt effizienter Durchfahrt wird der Verkehrsfluss erst einmal an einer zentralen Stelle auf Tempo 30 gedrosselt – angeblich aus Lärmschutzgründen. Kurios: In Gegenrichtung darf auf derselben Höhe Tempo 50 gefahren werden – ohne jegliche Lärmschutzmaßnahmen.
Auch hier ist das Verkehrsnetz zu eng, zu schmal, zu überlastet. Einziger Lichtblick für die Stadtkasse: ideale Voraussetzungen für mobile Blitzgeräte.
Autofahrer auf Irrwegen
Wie Wasser sucht sich auch der Individualverkehr seinen Weg des geringsten Widerstands. Und so schlängeln sich ortskundige Autofahrer durch Spielstraßen und verkehrsberuhigte Zonen – eigentlich für Kinder und Anwohner gedacht. Doch wenn der offizielle Weg durch den Innenstadtring dreimal so lang und obendrein noch verstopft ist, wie die direkte Strecke, entscheiden sich viele für den Schleichweg.
Ein Rechenbeispiel: Wer täglich von der Jahnstraße zur Hohenzollernstraße pendelt, fährt auf dem offiziellen Weg über den Innenstadtring rund 3,4 Kilometer – statt der direkten 1,2 Kilometer durch verkehrsberuhigte Straßen. Aufs Jahr gerechnet ergibt das rund 1.000 Kilometer Umweg – pro Pendler. Das ist weder klimaschonend noch verkehrssicher oder wirtschaftlich. Es ist schlicht absurd.
Verwaltung auf Tauchstation
Wie reagiert die Stadtverwaltung? Mit Blitzern, Sperrungen, etc.. Die ungeliebten Schleichwege werden blockiert, entlastende Querungen verbarrikadiert. Autofahrer sollen gezwungenermaßen den überlasteten Innenstadtring nutzen – mit allen negativen Folgen für Umwelt, Lebensqualität und Nerven.
Eine öffentliche Selbstkritik? Fehlanzeige. Kein Eingeständnis, keine Kurskorrektur. Stattdessen setzt man weiter auf das veraltete Modell eines „Rings“, das unter heutigen Bedingungen nicht funktioniert, weil nicht zu Ende gedacht !
Vergessene Ideen, verschenkte Chancen
Dabei gab es bereits vor über zwei Jahrzehnten kreative Lösungsansätze – etwa die sogenannte Entlastungsspange entlang stillgelegter Gleise, möglicherweise in Tunnellage. Ein Konzept, das ernsthaft diskutiert wurde. Ein passendes Grundstück an der B10 wurde von der Stadt sogar aufgekauft. Doch statt mutig zu planen, entschied man sich – wieder einmal – für den bequemeren Weg: die Überlastung des Innenstadtrings.
Hätte man in Brötzingen oder der Oststadt frühzeitig in alternative Querungen oder in Tunnellösungen, wie in Baden-Baden investiert, wären nicht nur Verkehrsprobleme gelöst, sondern auch wertvolle Stadtflächen für moderne Wohnquartiere freigeworden.
Fazit: Pforzheim braucht Verkehrspolitik mit perspektivischem Weitblick
Was die Stadt heute braucht, ist kein weiterer Flickenteppich aus Einzelmaßnahmen, sondern ein mutiger, ganzheitlicher Verkehrsplan. Einer, der alle Verkehrsteilnehmer einbezieht – auch dann, wenn der ÖPNV einmal nicht genutzt werden kann. Der status quo ist ein Beispiel für strukturelles Planungsversagen – mit klimapolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen.
Die Stadt steht am verkehrspolitischen Scheideweg: Weiter im Stau verharren – oder endlich den Mut aufbringen, neue Wege zu denken.